Brief von Edouard Carmignac
[Management Team] [Author] Carmignac Edouard

Brief von Edouard Carmignac

Edouard Carmignac greift zur Feder und kommentiert aktuelle wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Herausforderungen.

Paris, 18. Oktober 2025

Sehr geehrter Anlegerinnen und Anleger,

die Aktienmärkte scheinen sich der Schwerkraft zu widersetzen. Zollspannungen, Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine sowie die Unsicherheit hinsichtlich der politischen Lage in Frankreich können ihren stetigen Anstieg nicht bremsen, während gleichzeitig die Volatilität nachlässt.

Sicherlich sind die Rahmenbedingungen vorteilhaft und werden es vermutlich auch bleiben. Nicht nur eine weiterhin eher lockere Fiskalpolitik, sondern auch ein weltweit sinkendes Zinsniveau, das durch den nachlassenden Inflationsdruck begünstigt wird, tragen dazu bei. Dieses freundliche Umfeld allein rechtfertigt jedoch noch nicht den deutlichen Anstieg der Bewertungen.

Die Erklärung dafür ist unserer Ansicht nach in der enormen technologischen Beschleunigung zu suchen, die wir derzeit erleben. Noch nie in der Geschichte der Menschheit waren so viele Fortschritte in greifbarer Nähe. Nach der Internet-Revolution der 1990er-Jahre, durch die eine unbegrenzte und sofortige Verbreitung von Wissen möglich wurde, wird Augmented Intelligence – fälschlicherweise als „künstlich“ bezeichnet – uns Fortschritte in einem Tempo und einem Ausmaß ermöglichen, die bislang noch außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen. KI befreit uns bereits heute von zeitraubenden Aufgaben wie der Datenerfassung und dem Verfassen von Routinekorrespondenz. Damit trägt sie wesentlich zur Steigerung der Produktivität und zur Förderung der Kreativität bei. Darüber hinaus avanciert sie zu einem wertvollen Motor für die Forschung sowohl in der Physik als auch in der Biotechnologie, sogar Nobelpreisträger zählen zu ihren Anwendern. Eine Lebenserwartung von 120 bis 150 Jahren, die vor einem Jahrzehnt noch utopisch war, scheint heute durchaus realistisch. Die Entwicklung der Fusionstechnologie, an der man seit mehr als 50 Jahren arbeitet, wird die Verbreitung kostengünstiger Energie möglich machen. Dieses Ziel könnte bereits vor dem Jahr 2035 erreicht werden, statt wie bisher angenommen erst 2050. Im Verteidigungsbereich ermöglicht KI den Einsatz von Schwärmen hochentwickelter Drohnen und rückt Kampfflugzeuge ohne menschliche Piloten in den Bereich des Machbaren.

Der Versuch, das Ausmaß der laufenden Revolutionen vorherzusagen, wäre sinnlos. Sicher ist jedoch, dass sich die Umsetzung dank der explosionsartigen Zunahme von Rechenzentren auf der ganzen Welt beschleunigt. Zugegebenermaßen ist die Bewertung von KI-Aktien heikel und anfällig für vorübergehende Übertreibungen. Wir befinden uns jedoch erst am Anfang eines bedeutenden technologischen Fortschritts, den wir so gut wie möglich antizipieren und analysieren müssen. Für Anleger bedeutet dies, dass sie die Gewinner und Verlierer dieser globalen Umwälzung ermitteln müssen.

Im Vergleich zu diesem Paradigmenwechsel erscheint das Spielfeld der Politik trivial. Das Kräftemessen zwischen Donald Trump und Xi Jinping erinnert an ein Kinderspiel, bei dem derjenige, der zuerst blinzelt, verliert. Bei dem Duell zwischen den USA und China verfügt das eine Land mit hochwertigen Halbleitern über eine essenzielle Grundlagentechnologie, während das andere für die Entwicklung technologischer Produkte unerlässliche seltene Erden besitzt. Sie kommen um eine Einigung nicht herum. Was das bedauerliche politische Trauerspiel in Frankreich betrifft, so ist früher oder später mit einem schmerzhaften Weckruf der Märkte zu rechnen.

Mit freundlichen Grüßen

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